Klasse 7/8(2019) und Frau Bähre (Klassenlehrerin)der Gemeinschaftsschule Campus Efeuweg Berlin fotografiert von Maximiliane Wittek
„Im Klassenrat haben wir das Sagen. Er ist die demokratische Basis für eine gut funktionierende Schülervertretung.“
Ein Stimmungsbild aus der Realität
Der Klassenrat steht auf dem Stundenplan. Die Jugendlichen der Klasse 8 b warten nicht darauf,
dass ihre Lehrer*in den Klassenraum betritt. Sie rücken die Tische an die Wand und stellen die
Stühle in einem Kreis auf. Das ist ihre Stunde: Hier wird alles Wichtige besprochen, was die
Schülerinnen und Schüler interessiert. Meike schreibt die Tagesordnungspunkte an die Tafel. Meike
und Baran haben die Anliegen der Schülerinnen und Schüler aus der Klasse die Woche über
gesammelt. Heute sollen die wichtigsten Themen für die nächsten Klassenratsstunden geplant
werden.
Doch am Anfang der Klassenratsstunde steht immer derselbe Ablauf:
- Beschlüsse der letzten Woche
- Positivrunde
- Aktuelles aus der SV
Tanja und Klaus moderieren den heutigen Klassenrat. Die Stunde beginnt.
Was ist der Klassenrat?
Jedes Klassenratsmitglied hat eine Stimme.
Der Klassenrat ist die Beratungsstunde der Klasse. Jede Person der Klasse hat eine Stimme – auch die Klassenlehrer*in hat nur eine Stimme – jede Stimme ist gleich wichtig. Es wird auch davon gesprochen, dass der Klassenrat basisdemokratisch funktioniert. Jede Person kann eigene Anliegen und Probleme einbringen und das, was wichtig ist. Das wird dann im Klassenrat besprochen.
Das Ritual des Ablaufs hat Wirkung.
Jeder Klassenrat ist anders, doch die Erfahrungen zeigen, dass ein gewohnter Ablauf hilft, damit die Gespräche nicht im Chaos enden und sich ein faires respektvolles Miteinander entwickelt.
- Die beiden Jugendlichen, die die Moderation für diese Stunde übernommen haben, begrüßen alle Schüler*innen auch die Lehrer*in zur heutigen Klassenratsstunden.
- Zu Beginn wird eine Loberunde eingeleitet. Die kann immer gleich ablaufen:
„Was kann ich Positives von mir bzw. einer anderen Person aus der vergangenen Woche berichten?“ oder zwei Schülerinnen und Schüler lassen sich zu jeder Stunde etwas Originelles einfallen wie z.B.:
Alle gehen durch den Raum und flüstern der anderen Person etwas Nettes ins Ohr. Ein Gong ertönt und jeder geht zur nächsten Person und flüstert dieser wieder etwas Nettes ins Ohr. Mehr Methoden zur Anerkennungsrunde - Danach erfolgt der Rückblick auf die Vereinbarungen des Protokolls der letzten Stunde.
- Dann wird die Reihenfolge der Anliegen gemeinsam festgelegt:
„Was sind die Themen heute? Wie kommen wir zu Ergebnissen?“
Abstimmung oder Konsens aushandeln, lohnt sich.
Wie ein Thema beraten wird, entscheiden alle Schülerinnen und Schüler der Klasse. Die Verantwortlichen für die Moderation können einen Vorschlag machen. Beschlüsse sowie Vereinbarungen werden im Protokoll festgehalten. Der Meinungsbildungsprozess wird nicht unbedingt über eine mehrheitliche Abstimmung herbeigeführt, denn oft ist nicht jeder mit der Lösung zufrieden. Je nach der Wichtigkeit des Themas soll eine Aushandlung stattfinden. Hierzu ist die Methode der Konsensorientierung zu empfehlen.
Feedback ist der krönende Abschluss jeder Klassenratsstunde.
Den Abschluss der Klassenratsstunde bietet ein wertschätzender Rückblick auf die Stunde und auf die Personen, die eine Aufgabe übernommen hatten. Dieser Rückblick bringt neue Ideen zu einem noch besseren Ablauf der Klassenratsstunde.
Methoden zum Feedback
Wie ist der Ablauf?
Begrüßung
Wir beginnen jetzt mit dem Klassenrat! Ich begrüße euch. Wer übernimmt das Protokoll? Wir fangen mit der Loberunde an.
Lobe- bzw. Anerkennungsrunde
Wer hat etwas sehr gut gemacht? Was ist super gelaufen? Wer möchte wem ein Lob aussprechen? Danke an ……………, weil………….(Mehr über Methoden erfahren)
Überprüfung der Vereinbarungen/Beschlüsse
Haben wir umgesetzt von letzter Woche? Was hatten wir uns vorgenommen? Was konnte nicht erledigt werden? Warum nicht?
Tagesordnung
Welches sind die Themen des heutigen Klassenrats? Welches Thema ist besonders heiß? Welche Themen betreffen alle?
Einigung/Beschlüsse
Was haben wir heute verabredet? Welche Lösung haben wir gefunden?
Besprechung und Lösung der Anliegen/ Probleme
Wie kommen wir zu guten Ergebnissen? Was legen wir fest? Wo fassen wir einen Beschluss? Wo einigen wir uns im Konsens?
Feedbackrunde
Was ist gut gelaufen? Was wollen wir nächstes Mal anders machen?
Ab welcher Stufe kann der Klassenrat eingeführt werden? Wer führt den Klassenrat ein?
Vom Morgenkreis zum Klassenrat
Diese Frage hat etwas mit dem Alter der Schülerinnen und Schüler zu tun. In der Grundschule kann sich der Klassenrat bereits in der ersten bzw. der zweiten Klasse aus dem Morgenkreis entwickeln. Nicht das Alter der Kinder ist entscheidend, sondern die Haltung von Lehrer*innen. Haben die Lehrer*innen ein Grundvertrauen in die Fähigkeiten der Kinder? Trauen sie den Kindern zu, dass sie Verantwortung für ihr Handeln übernehmen? Mit einer positiven Grundhaltung ist der erste Schritt getan.
Die Rolle der Peers
Die langsame Einführung wird in der Grundschule durch die Klassenlehrer*innen bzw. ältere Schüler*innen (Peers) angeregt und angeleitet. Das Peer-to-Peer-Prinzip hat sich besonders bewährt und die Lehrer*innen hat dabei die besondere Chance, im Klassenrat von Anfang an keine „Lehrer*innenrolle“ zu haben, sondern auf Augenhöhe dabei zu sein. Sie haben dann von der ersten Klassenratssitzung an nur eine Stimme wie jedes andere Ratsmitglied der Klasse.
Die SV (Schüler*innenvertretung) als Begleiterin des Klassenrats
Wird der Klassenrat erst in der 4. bzw. 5. oder gar in der 7. Jahrgangsstufe eingeführt, kann die SV die Einführung übernehmen. Ältere Schüler*innen mit Klassenratserfahrung führen die Jüngeren in den Klassenrat ein. Dies setzt voraus, dass es in allen Klassen einen Klassenrat gibt. Wichtig ist, dass die Gremien auch auf Augenhöhe miteinander arbeiten. Es gibt keine Machtfrage. mehr zum Thema: Kooperation mit der SV
Wie wird der Klassenrat in der Schulorganisation integriert?
Wenige können viel bewirken
Der Klassenrat einer Klasse als demokratiepädagogische Insel in einer Schule wird auf Dauer untergehen, aber er kann eine wirkungsvolle Initialzündung für die Beteiligung in der ganzen Schule werden. Es werden immer mehr Klassen folgen, bis das Kollegium und auch die Schüler davon überzeugt ist, dass der Klassenrat ein fester Bestandteil der Schulorganisation wird. Wer die treibende Kraft in der Schule wird, hängt von vielen Faktoren ab: gibt es eine funktionierende Organisation in Jahrgangsteams? Ist die Schulstation die Vorreiterin oder sogar die SV?
Der Klassenrat ist das Herzstück einer demokratischen Schule
Der Klassenrat wird allerdings erst zum „Herzstück” einer demokratischen Schule, wenn die Kinderrechte gelebt werden, wenn der Klassenrat in allen Klassen der Schule eingeführt ist und wenn nach den Qualitätsstandards „Vom ich, zum Du und wir“ gemeinsam respektvoll miteinander gearbeitet wird.
Beteiligung lebt durch die Unterstützung der Erwachsenen
Eine SV, die daran glaubt, dass der Klassenrat die Basis einer gut funktionierenden SV ist, wird alle Lehrer*innen der Schule und die Eltern davon überzeugen, dass Klassenräte eine wertvolle Basis für eine beteiligungsorientierte(partizipative) und wertschätzende Schulkultur sind. Dann folgen die weiteren Schritte: Die Schulkonferenz beschließt, dass in allen Jahrgangsstufen Klassenräte arbeiten sollen. Danach wird auch eine Lösung gefunden, wie der Klassenrat im Stundenplan ausgewiesen wird. Hier gibt es unterschiedliche Modelle. Die Klassenratsinitiative und ihre Partner*innen informieren vor Ort.