Informieren

Es ist gar nicht so einfach, Entscheidungen zu treffen. Der Prozess der Entscheidungsfindung in der Gruppe setzt voraus, dass sich jedes einzelne Mitglied der Gruppe eine Meinung zu einer bestimmten Fragestellung gebildet hat. Demokratische Entscheidungsverfahren laufen fair ab. Beschlüsse im Klassenrat erfordern mitunter das Gespräch und die Einigung von zwei Personen, andererseits aber oft das Gespräch, die Diskussion und Entscheidung aller Teilnehmer*innen des Klassenrats. Geht es um den Streit zwischen zwei Schüler*innen, so können zwar alle Klassenratsteilnehmer*innen Vorschläge für eine Lösung unterbreiten, die Lösung selber kann jedoch nur von den beiden Beteiligten gefunden werden. Geht es um ein Thema, das alle Klassenratsmitglieder betrifft, so sind auch alle an die Entscheidungsphase mit einzubinden.

Wahrnehmen, Diskutieren und Debattieren
Vor einer Abstimmung werden die Themen besprochen und diskutiert. Zunächst werden Sachverhalte vorgestellt und  Informationen ausgetauscht, so können sich Schüler*innen von den unterschiedlichen Argumenten überzeugen – oder auch nicht überzeugen – lassen und gehen vorbereitet und informiert in die Abstimmung.

Offene und geheime Abstimmungen
Bei offenen Abstimmungen wird so ein Beschluss gefasst, dass alle Teilnehmer*innen des Klassenrats es sehen und mitbekommen. Dies geschieht meist durch Handzeichen, oder indem farbige Zettel in die Höhe gehoben werden. Der Vorteil bei dieser Art der Abstimmung ist die Transparenz der Methode; jede*r sieht, was die anderen abstimmen. Der Nachteil dieser Abstimmungsart liegt darin, dass Schüler*innen, die gegen (oder für) etwas gestimmt haben, eventuell später von  Mitschüler*innen geärgert oder unter Druck gesetzt werden oder von Lehrkräften Nachteile erfahren könnten.

Bei einer geheimen Abstimmung schreiben die Schüler*innen ihre Meinung oder ein Ja/Nein oder auf einen Zettel. Diese Zettel werden später ausgezählt und ausgewertet. Der Vorteil dieser Methode ist, dass sie Privatsphäre und Anonymität gibt. So können auch diejenigen Teilnehmer*innen des Klassenrats gut abstimmen, die sich eventuell nicht trauen würden, ihre eigene Meinung offen zu äußern. Der Nachteil: Bei der Diskussion zuvor werden unter Umständen ganz andere Dinge gesagt als das Abstimmungsergebnis zeigt. Es kann auch nicht nachvollzogen werden, wer die eigene Meinung geändert hat und warum.

Mehrheitsprinzip
Viele Entscheidungen werden im Klassenrat nach dem Mehrheitsprinzip – oft aus Zeitgründen, aber auch aus Unkenntnis über andere Möglichkeiten – gefällt. Das Mehrheitsprinzip ist ein demokratisches Prinzip, bei dem sich nach einer Wahl oder Abstimmung der Wille der Mehrheit gegenüber der Minderheit durchsetzt. Im Klassenrat kann es also Abstimmungen geben, bei denen jede*r Teilnehmer*in eine Stimme hat, und die Mehrheit der Stimmen über das Ergebnis entscheidet. Die Minderheit hat sich dann der Mehrheit zu fügen. Gewöhnlich können im Klassenrat diejenigen abstimmen und wählen, die anwesend sind. Selten ist es erforderlich, die Stimme auch derjenigen einzuholen, die zur Klasse dazu gehören, aber am Abstimmungstag nicht anwesend sind.

Zwei-Drittel-Mehrheit
Auch beim Zwei-Drittel-Mehrheitsentscheid „gewinnt“ die Mehrheit, allerdings werden dafür zwei Drittel der Stimmen benötigt. Dabei wird unterschieden in einfache und absolute Zwei-Drittel-Mehrheit. Die einfache Zwei-Drittel-Mehrheit bezieht sich auf die abgegebenen Stimmen. Die absolute Zwei-Drittel-Mehrheit enthält auch Stimmenenthaltungen und gilt für die Gesamtheit der Stimmen.

Konsensbildung
Die Konsensbildung ist eine Entscheidungsstrategie im Klassenrat, die eine große Zufriedenheit (und Einheit) bei allen Klassenratsmitgliedern herstellt. Bei der Konsensbildung wird versucht, dass alle Teilnehmer*innen am Klassenrat sich im Rahmen eines Aushandlungsprozesses auf eine Entscheidung, Idee oder Lösung einigen.

Eine Konsensentscheidung erfordert Vertrauen zueinander und innerhalb der Gruppe. Eine Entscheidung soll ohne Gegenstimme getroffen werden. Hierbei wird oft gar nicht abgestimmt. Vielmehr wird gewünscht, dass die Teilnehmer*innen des Klassenrats, die eine abweichende  Meinung haben, diese aufgeben oder zurückstellen und die Entscheidung der anderen – trotz ihrer Bedenken – mit tragen.

Die Stimme jeder einzelnen Person hat beim Konsensprinzip ein hohes Gewicht und wird gehört. Ein „Nein“ einer teilnehmenden  Person kann den Prozess blockieren. Einzelne Stimmen von Gruppenmitgliedern haben damit ein größeres Gewicht als bei Mehrheitsentscheidungen. Auch die Verantwortung von Einzelnen ist größer, weil jede*r über die Möglichkeit verfügt, die Entscheidungen der restlichen Gruppe zu kippen oder zu blockieren. Bedenkenträger*innen werden gebeten abzuwägen, ob ihre Entscheidung und ihr Grund gegen alle zu stimmen so wichtig ist, dass deshalb der gesamte Prozess gestoppt werden sollte.

 

Reflektieren

Welche Hauptmöglichkeiten der Entscheidungsfindung wollt ihr für euren Klassenrat nutzen?
Überlegt, welche Vor- und Nachteile diese Arten der Entscheidungsfindung haben.

Wie sehen Entscheidungen bei euch in der Schule aus? Wer bestimmt darüber – in erster Linie die Schulleitung und die Lehrkräfte, oder werdet ihr ebenfalls nach eurer Meinung gefragt? Wenn ja, in welchen Fällen – bei Angelegenheiten, die euch wichtig sind, oder nur bei „kleinen“ Sachverhalten? Wie gehen die Lehrkräfte mit euren Recht um, mehr  Mitbestimmung in der Schul- und Lernkultur zu erreichen? Fühlt ihr euch wohl und sicher, für eure Rechte der Teilnahme einzustehen, oder habt ihr Angst vor schlechteren Noten, einem Tadel oder Gespräch mit den Eltern/Erziehungsberechtigten?

Ihr könnt auch darüber sprechen, wie die Demokratie in Deutschland funktioniert, und was ihr in Politikwissenschaften,  Gemeinschaftskunde oder einem entsprechenden Fach darüber lernt. Welche der oben genannten   Entscheidungsfindungsprozesse werden an welcher Stelle angewandt (z.B. Bundestagswahlen, Entscheidungen im Bundestag, Bundesrat etc.)? Weshalb ist das so? Wie könnte es ggf. besser oder anders gemacht werden? Wer kann überhaupt daran teilnehmen und wer ist von vornhinein ausgeschlossen (z.B. nicht wählen zu können, weil es schwer und langwierig ist, die deutsche Staatsbürger*innenschaft zu erhalten)? An dieser Stelle könnt ihr auch darüber diskutieren, wie ihr es findet, dass Kinder und Jugendliche in Deutschland nicht wählen können und auch sonst nicht viel Mitbestimmungsrechte haben. Die Expert*innen für Kinder/Jugendliche sind immer Erwachsene. Findet ihr das richtig und ganz „normal“, oder  erlebt ihr das als ungerecht?

Handeln

Das Handeln setzt voraus, dass alle Mitglieder im Klassenrat die Möglichkeiten der Entscheidungsfindung kennen, und dass es einen Vorschlag oder eine Geschäftsordnung gibt. Diese regelt, wann welche Möglichkeit der Entscheidungsfindung genutzt wird. Da solche Entscheidungen bei euch liegen, können hier gar nicht viele Handlungsmöglichkeiten vorgestellt werden.

Unser Vorschlag:

  • Konflikte zwischen zwei Personen (oder innerhalb einer Gruppe) erfordern die Entscheidung dieser beiden Personen (oder der Gruppe), alle anderen Personen können natürlich Vorschläge unterbreiten und werden angehört.
  • Themen, die alle Klassenratsmitglieder betreffen, sollten entweder konsensual oder durch Mehrheitsentscheid beschlossen werden. Wichtige und alle betreffende Angelegenheiten sollten mit Konsensentscheid getroffen werden. Entscheidungen mit einer großen Auswahl an Möglichkeiten können gut mit dem Mehrheitsprinzip festgelegt werden.

Besprecht eure Möglichkeiten der Entscheidungsfindung und macht eure Erfahrung mit diesen Optionen. Und denkt daran: Von Zeit zu Zeit ist auch angesagt, die Erfahrungen zu reflektieren, die Methoden genauer und konsequenter durchzuführen und aus dem Erlebten zu lernen.